Langsam wird’s ernst für uns Konservatorinnen. Letzte Woche hat die Tauchmannschaft in einer aufwändigen Aktion jene Pfähle geborgen, die direkt an der Profilkante positioniert und daher verhältnismäßig einfach im Ganzen zu entnehmen waren. Wir haben jetzt also mehrere über ein Meter lange Holzpfähle mit zum Teil sehr gut erhaltenen Spitzen und deutlich sichtbaren Bearbeitungsspuren zu versorgen. Die Hölzer haben wir gleich vor Ort mit fließendem Wasser und ganz weichen Pinseln gereinigt, respektive mit Pinzetten von hartnäckig festsitzenden Muscheln befreit. Bis zum Transport ins Oberösterreichische Landesmuseum werden die Pfähle in der Edelstahlwanne unseres Kulturgutrettungs-Containers bei 10°C in permanent umgewälztem Seewasser zwischengelagert.
In Linz geht’s dann an die Dokumentation der Bearbeitungsspuren und natürlich an die Konservierung des Materials. Um aber bezüglich Konservierungsmedium und -methode die richtigen Entscheidungen zu treffen, gilt es zuvor für jeden einzelnen Pfahl eine wichtige Kenngröße in Erfahrung zu bringen, nämlich den Abbaugrad des Holzes. Der Abbaugrad lässt sich gut darstellen über die Veränderung des maximalen Wasseraufnahmevermögens. Dieses kann für jede Holzart, abhängig von der Dichte bzw. dem Porenanteil, mit einem spezifischen Wert angegeben werden. Archäologische Hölzer haben aber durch den Materialabbau meist beträchtlich an Holzmasse verloren und nehmen durch die neu entstandenen Hohlräume noch mehr Wasser auf. Ermittelt man also den Anteil an Wasser in einem Nassholzfund, lässt sich im Vergleich mit den Werten für rezentes Holz ein prozentualer Schluss über den Abbaugrad ziehen.
Soweit so gut. Unser Problem ist nur, dass wir die Pfähle nicht einfach austrockenen lassen dürfen, um die übriggebliebene Holzmasse abzuwiegen. Durch massive Schrumpfung und Rissbildung würde der Pfahl zerstört. Wer jetzt als Lösung an High-Tech Messgeräte denkt, hat aber weit gefehlt. Vielmehr gehen wir nach einem einfachen rechnerischen Grundsatz vor: Sind bei einem Körper bestehend aus zwei Phasen mit jeweils bekannten Dichten die Gesamtmasse und das Volumen bekannt, so lassen sich mittels Gleichungen die Mengenanteile errechnen. Unser Körper ist ein wassergesättigter Pfahl. Die beiden Phasen sind Wasser und Holz. Die Dichte von Holzmasse beträgt allgemein 1,5kg/dm³, die von Wasser genau 1kg/dm³. Die Gesamtmasse erhalten wir durch bloßes Wiegen des nassen Holzes. Um nun auch noch die letzte fehlende Größe, nämlich das Volumen, in Erfahrung zu bringen, machen wir uns das sogenannte archimedische Prinzip zunutze.
Archimedes, ein Mathematiker, Physiker und alter Grieche aus dem alten Griechenland, wurde von König Hieron II mit der Aufgabe betraut, festzustellen, ob seine Krone tatsächlich aus echtem Gold gefertigt worden war. Er durfte dabei jedoch die Krone nicht beschädigen. Die Lösung für das Problem kam Archimedes, als er sich des Abends in eine randvolle Wanne zum Bade niederließ und erkannte, dass das überlaufende Wasser genau seinem Körpervolumen entsprach. Die Anekdote besagt nach Vitruv, dass er daraufhin laut „Heureka!“ rufend durch die Straßen von Syrakus gelaufen sei und die Aufgabe mittels Dichtebestimmung gelöst habe.
Nicht ganz so, aber ähnlich werden wir’s auch machen, indem wir den Pfahl in ein Wasserbecken hängen, das auf einer Waage steht. Der Pfahl erfährt dabei einen Auftrieb, dessen Kraft der Gewichtskraft des verdrängten Mediums entspricht. Der Pfahl übt auf das Medium eine gleich große Gegenkraft aus, weshalb uns die Waage das Gewicht des verdrängten Wassers anzeigt und - nachdem Wasser eine Dichte von 1kg/dm³ aufweist – zugleich auch das Volumen des eingetauchten Pfahls.
Eine ebenso einfache wie zuverlässige Methode, die in dieser Form zum Beispiel auch am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz angewandt wird …
… und ein schönes Beispiel dafür, dass es nicht immer High-Tech sein muss.
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